Die geheime Bestsellerliste der Bücherdiebe
Geklaut wird auf der Frankfurter Buchmesse regelmäßig – nicht unbedingt zum Ärger der Verlage
Frankfurt. Zur Buchmesse tummeln
sich in Frankfurt die Diebe. Wie in jedem Jahr, schlagen sie auch
diesmal zu. Wie viele Bücher genau weg sind? Weiß keiner. Die Verlage
kostet das viel Geld. Wirklich wütend machen die Bücherdiebe
erstaunlicherweise aber kaum einen. Warum eigentlich?
Samstag und Sonntag stürmten die Besucher endlich die Frankfurter
Buchmesse, vorher war bereits das Fachpublikum da. Sonntagabend endet
sie dann, die weltgrößte Buchmesse. Und viele Aussteller werden weniger
Bücher wieder einpacken als sie mit an den Main genommen hatten. Manches
wurde verschenkt, vieles geklaut. Für den Suhrkamp Verlag arbeitet Mona
Aberle am Messestand; Halle 4.1, großes Ding. Es ist nicht ihre erste
Buchmesse und mittlerweile weiß sie, dass Bücher verschwinden. Es wird
einfach einkalkuliert. "Wir sind ja nicht betriebsblind." Erstaunlich
gelassen berichtet sie von den Bücherdieben. "Trotz des finanziellen
Schadens sind wir nicht wirklich traurig. Damit lebt man eben", sagt
Aberle irgendwann.
Viele ihrer Kollegen reden so, wenn es um die Bücherdiebe geht. Immer
die gleiche Mischung aus Abgeklärtheit und Machtlosigkeit. "An den
Publikumstagen geht besonders viel weg", sagt sie. Und so bleibt ihr
nichts anderes übrig, als den "Kruso" von Lutz Seiler in einem Regal
hinter ihrem Tresen auszustellen. Das Buch hat gerade erst den Deutschen
Buchpreis gewonnen – ein potenziell beliebtes Mitbringsel.
Bücher verschwinden, jedes Jahr
Wie
viele Bücher geklaut werden, das kann Mona Aberle nicht sagen. Und auch
bei ihrem Verlag weiß man es nicht. Das hat mehrere Gründe: Viele der
Bücher werden als Leseexemplare an Autoren, Buchhändler oder
Journalisten verschenkt. Ab heute wird auch regulär verkauft. Welches
Buch warum wo landet, kann man später schlicht nicht mehr feststellen.
In dem Gedränge am Wochenende schon gar nicht. Verlässliche Zahlen zu
Diebstählen gibt es keine. Fakt ist: Bücher verschwinden, jedes Jahr.
Beim Piper Verlag sieht man es gelassen. Es seien immer genug Bücher vor
Ort. "Außerdem hat der Diebstahl kein so bedrohliches Ausmaß",
versichert man eilig. Botschaft: Alles gar kein Problem. Klar.
Gleichzeitig liegt bei Piper der neue Hape Kerkeling in zwei großen
Wühlkisten aus. Eine günstige Gelegenheit.
Dass der Buchdiebstahl von vielen toleriert wird, hat in Wahrheit
praktische Gründe – und ist nicht bloß Gutmütigkeit. Auch beim
Beklautwerden denken manche Verleger offenkundig ans Geschäft. Denn: Was
auf der Frankfurter Buchmesse gestohlen wird, hat gute Chancen, die
Bestseller-Listen zu stürmen. Thomas Diefenbach aus dem Vertrieb vom
Verlag Kiepenheuer & Witsch sagt: "Was hier nicht geklaut wird,
verkauft sich später schlecht." Bücher von Schätzing oder Wallraff waren
es schon oft. "Es sind immer die großen Namen." Bei C.H Beck nennt man
das: Geheime Bestseller.
Manche Verlage sind froh
Für viele
ist der beobachtete Diebstahl auf der Buchmesse also unkonventionelle
Marktforschung für das Weihnachtsgeschäft. "Trickdiebstähle lassen sich
trotz der Kontrollen einfach nicht verhindern", sagt Katja Böhne,
Sprecherin der Buchmesse. Internationale Verlage seien sogar froh, wenn
sie nicht so viele Bücher wieder mitnehmen müssten. "Vielleicht ist das
vergleichbar mit dem abgebrochenen Mercedesstern."
Auch wenn Diebstahl in Deutschland normalerweise angezeigt und verfolgt
wird: Für viele ist die Buchmesse in Frankfurt ein großer
Selbstbedienungsladen. Bücher wie "Kruso" locken,
Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano sowieso. Und seit Freitagabend
ist auch die Biografie der frisch ausgezeichneten
Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai wieder bei vielen Besuchern
begehrt.
Irgendwann kommen sie an einem Buch von Michael Meier vorbei. Rotes
Cover, drei Schattenmänner darauf gedruckt. Titel: Die Plünderung der
Welt. Es steht ganz oben im Regal.
Quelle:
http://www.nw-news.de/owl/kultur/11273035_Die_geheime_Bestsellerliste_der_Buecherdiebe.html