Lesen ist ein großes Wunder



Samstag, 24. Oktober 2015

Mario Ohno - Das kochende Gesamtkunstwerk


Mario Ohno Das kochende Gesamtkunstwerk

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Mario Ohno ist eine Romanfigur von Wolfgang Schorlau. Im echten Leben betreibt er eine Einzimmertafel im Stuttgarter Westen. Begegnung mit einem Querdenker, der Kochen in Kunst verwandelt hat.

Künstler und Koch bei der Arbeit: Mario Ohno in seiner Einzimmertafel Foto: Stollberg
Künstler und Koch bei der Arbeit: Mario Ohno in seiner EinzimmertafelFoto: Stollberg
Stuttgart - Es kommt nicht alle Tage vor, dass man einer Romanfigur im echten Leben begegnet. Mario Ohno ist zunächst eine literarische Gestalt. Der Stuttgarter Krimi-Autor Wolfgang Schorlau hat Ohno in seiner Dengler-Serie ein Denkmal gesetzt. „Dort betrieb er nun in ihrem gemeinsamen Wohnzimmer ein Einzimmerrestaurant, das er halb Sonja, halb seinem Lieblings-Beaujolais zuliebe ,St. Amour‘ nannte. Für siebzig Euro pro Person kochte er die besten Gerichte, die Dengler je aß, und die erlesensten Menüs, die in Stuttgart zu haben waren. Kein Wunder, Marios Wohnzimmer wurde bald zum Geheimtipp von Stuttgarts Künstlerszene“, heißt es im Roman „Die blaue Liste“.
Im echten Leben geht Mario Ohnos Geschichte mittlerweile so: die Einzimmertafel St. Amour findet heute in Mario Ohnos privatem Wohnzimmer an der Reinsburgstraße im Stuttgarter Westen statt. Die Menüs sind derart erlesen, dass das gastronomische Kunstprojekt längst über den Status des ­Geheimtipps hinaus ist. Die Stuttgarter Künstlerszene pilgert in Scharen zu Ohno, genauso wie die treuen Fans von Wolfgang Schorlau. Die erhoffen sich bei Mario Ohno die Verlängerung der Schorlau’schen Fiktion in die Realität – und bekommen ein kochendes Gesamtkunstwerk.

Die Fortführung von Beuys mit anderen Mitteln

Bei einer Portion Weißwürste samt selbst gemachter Zwiebelmarmelade („die passt noch besser als der süße Senf!“), erzählt Mario Ohno aus seinem Leben. „Ich bin fanatischer Anhänger von Joseph Beuys. Ich halte ihn für den Allerwichtigsten und versuche, seinen Begriff der sozialen Plastik in eine reale Plastik weiterzuführen“, erklärt Ohno. Wer will, kann mit dem gelernten Steinbildhauer und studierten Künstler angeregt den Kunstbegriff diskutieren. Wer möchte, kann bei Mario Ohno auch einfach nur vorzüglich speisen. Wer beide Ansätze kombiniert, hat nach einem Abend bei Ohno fürs Leben gelernt.
Der 56-Jährige tanzt auf vielen Hochzeiten zugleich. Neben seiner Einzimmertafel St. Amour betreibt er die Reinsburghallen, die Veranstaltungsraum und Ausstellungsstätte sind. Mit seinem umfunktionierten Oldtimer-Feuerwehrfahrzeug Bertha LF8, Baujahr 1974, bewirtet er private Feste. Und gemeinsam mit Anna Ohno betreibt er die Kunstpension, ein Bed-and-Breakfast mit drei Zimmern im Dachgeschoss der ehemaligen Hinterhofschmiede von 1880 an der Reinsburgstraße 86 A.

Der Durchbruch als Künstler dank Wolfgang Schorlau

Angefangen hat alles tatsächlich mit der im Roman beschriebenen Einzimmertafel an der Mozartstraße. „Das war im Jahr 2000. Wolfgang Schorlau und ich haben damals Wand an Wand gewohnt. Er hat zu der Zeit noch als IT-Manager gearbeitet“, erinnert sich Ohno. „Irgendwann wollte er von mir wissen, was ich da Abend für Abend treibe, er würde nur die Korken knallen und die Stöckelschuhe auf dem Parkett hören“, so Ohno weiter. Schließlich habe Schorlau Ohno gefragt, ob er sich das Restaurant-Kunst-Projekt zu Recherchezwecken für seinen ersten Roman anschauen könne. „Wolfgang ist dann stundenlang dagesessen und hat sich seine Notizen gemacht. Ich habe das nicht sehr ernst genommen und wieder vergessen, bis ,Die blaue Liste‘ dann tatsächlich erschienen ist und wir die erste Lesung mit drei Gängen bei mir veranstaltet haben“, sagt Ohno. „Danach ging es bei mir so ab mit den Reservierungen, dass ich mir einen Anrufbeantworter und ein Faxgerät kaufen musste.“
Aus der Wohnung in der Mozartstraße musste Ohno auch bald raus, den Nachbarn war der Umtrieb des etwas anderen Restaurants schnell zu viel. 80 Prozent seiner Gäste, schätzt Ohno, sind heute Schorlau-Leser. Wenn der gebürtige Stuttgarter ein Public Viewing der ersten Schorlau-Verfilmung in seinen Reinsburghallen veranstaltet, kommen 70 Gäste, und 150 stehen zusätzlich auf der Warteliste.

Frank Oehler ist der Patenonkel von Ohnos Sohn Max

Zurück zum Wesen seiner Einzimmertafel, zurück zum Konzept seiner je nach Sichtweise Kunst gewordenen Küche oder Küche gewordenen Kunst. Ist das Guerilla-Restaurant von Mario Ohno eigentlich eine illegale Gaststätte? „Ich koche in einer rechtlichen Grauzone und sage immer, bei mir essen Sie auf eigene Gefahr“, sagt Ohno. Ärger gab es noch nie, vielleicht, weil das Konzept des zum Kunstwerk stilisierten Mehrgänge-Menüs einfach zu sympathisch ist. „Mir war immer klar, dass meine Kunst keine Kunst sein kann, die in weißen Wänden ausgestellt wird. Bei mir wird der Betrachter zum Benutzer der Kunst“, erklärt Ohno, der durch Teller, die er mit Text bedruckt hat, in seine Essen eingreift.
Wolfgang Schorlau ist übrigens nicht der einzige Prominente in Ohnos Freundeskreis. Sternekoch Frank Oehler von der Speisemeisterei hat er beim Kochen kennengelernt. Heute ist Oehler der Patenonkel von Ohnos sechsjährigem Sohn Max. Tochter Elsa ist vier Jahre alt. Von der Mutter Anna Ohno hat sich Mario inzwischen wieder getrennt. „Seitdem läuft es zwischen uns auch als Menschen wieder viel besser.“ Was für ein knochentrockener Satz zum Abschied! Könnte glatt von einer Romanfigur stammen.

Montag, 12. Oktober 2015

Sie haben gerichtet!


Deutscher Buchpreis geht an Frank Witzel

Frank Witzel erhält den Deutschen Buchpreis 2015. Sein Buch „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ schildert die Anschläge der sechziger Jahre aus der Sicht eines Dreizehnjährigen.



Für einen Roman über die alte Bundesrepublik hat Frank Witzel den Deutschen Buchpreis 2015 erhalten. Das Buch mit dem Titel „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ wurde am Montagabend in Frankfurt als beste literarische Neuerscheinung des Jahres im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Der Autor schildert darin in einer Vielzahl von Episoden und Fragmenten die Nachkriegszeit aus der Sicht eines Dreizehnjährigen im Wiesbadener Ortsteil Biebrich.

 

„Frank Witzels Werk ist ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt“, begründete die Jury den Preis. In seiner Mischung aus „Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik“ sei der Roman einzigartig in der deutschsprachigen Literatur. „Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausgezeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia.“
In der Endausscheidung setzte Witzel sich gegen Jenny Erpenbeck („Gehen, ging, gegangen“), Rolf Lappert („Über den Winter“), Inger-Maria Mahlke („Wie Ihr wollt“), Ulrich Peltzer („Das bessere Leben“) und Monique Schwitter („Eins im Andern“) durch. Der Deutsche Buchpreis, 2005 erstmals vergeben, gilt als wichtigste Auszeichnung der Branche.

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Literaturnobelpreis 2015 bekannt gegeben

Ich bin gespannt, wie Weißrussland  darauf reagiert: 

Nobelpreis für Literatur 2015  

Swetlana Alexijewitsch widmet Nobelpreis der weißrussischen Kultur

Literaturnobelpreis: "Collage von menschlichen Stimmen"

Die weißrussische Journalistin und Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch bekommt den Literaturnobelpreis 2015. Das Komitee zeichnet die 67-jährige Autorin für ihr Werk aus, "das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt".

Die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch erhält den Nobelpreis für Literatur. Die Journalistin und Schriftstellerin werde für ihr "vielstimmiges Werk" geehrt, welches "dem Leid und dem Mut unserer Epoche ein Denkmal" setze, teilte die Schwedische Akademie der Wissenschaften am Donnerstag in Stockholm mit. Die weißrussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch sagte dem schwedischen Fernsehsender SVT am Donnerstag kurz nach der Verkündung am Telefon, es sei eine Ehre, in einer Reihe mit großen Schriftstellern wie Boris Pasternak zu stehen. „Das ist ganz groß, diesen Preis zu bekommen.“

Jahrelange Favoritin

Sie galt bei den Buchmachern bis zuletzt als Favoritin, auch in den Vorjahren gehörte sie zu den meistgenannten Anwärtern. Die gebürtige Ukrainerin, Jahrgang 1948, aufgewachsen in Weißrussland, hat sich mit Werken wie "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" (1985) über Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg und "Die letzten Zeugen" über die Geschichte ihrer Familie im Krieg und unter Stalin einen Namen gemacht. Auch schrieb sie über den sowjetischen Afghanistankrieg ("Zinkjungen", auf deutsch 1992 erschienen) und die Atomkraft-Katastrophe in Tschernobyl.
Immer wieder befasste sich die Autorin aus Minsk mit der Mentalitäts- und Gefühlsgeschichte der Sowjetunion seit dem Zweiten Weltkrieg, befragte Zeitzeugen und Landsleute - etliche ihrer dokumentarischen Bücher wurden verfilmt. Bis zur Perestroika sah sich die gelernte Journalistin, die zunächst als Lehrerin gearbeitet hatte, als angebliche "Nestbeschmutzerin" und Dissidentin wiederholt Schikanen ausgesetzt.
Erst seit Ende der achtziger Jahre konnte sie ungehindert arbeiten, gilt in Weißrussland jedoch weiter als Dissidentin. Seit der Machtübernahme Lukaschenkos dürfen ihre Bücher dort nicht erscheinen.„Die weißrussischen Behörden tun so, als ob es mich nicht gäbe“, sagte sie am Donnerstag vor Journalisten in Minsk. „Ich werde nicht gedruckt, ich darf nirgendwo auftreten.“ Die Regierung "wird nun gezwungen sein, mir zuzuhören", sagte sie der Zeitung "Svenska Dagbladet". Zu dem Preis habe ihr der russische Kulturminister Wladimir Medinski gratuliert, der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko aber noch nicht. Als Alexijewitsch den Anruf des Komitees erhielt, war sie gerade beim Bügeln.

"Ich werde mir auf jeden Fall Freiheit kaufen"

"Es ist enorm, diesen Preis zu erhalten", sagte Alexijewitsch. Sie empfinde "persönliche Freude". "Der Preis ist nicht für mich, sondern für unsere Kultur, für unser kleines Land, das im Laufe der Geschichte in ein Mahlwerk geraten ist", sagte sie auf der anschließenden Pressekonferenz in Minsk. Vor einem totalitären System dürften keine Zugeständnisse gemacht werden.
Was sie nun mit dem Preisgeld anfange, wisse sie noch nicht. "Ich werde mir auf jeden Fall Freiheit kaufen", sagte sie dem Schwedischen Sender SVT. "Denn ich brauche viel Zeit, um ein neues Buch zu schreiben - fünf bis zehn Jahre." Sie habe aber zwei neue Ideen für Bücher und freue sich, jetzt an ihnen arbeiten zu können.
Wegen ihrer Kritik an der Regierung lebte Alexijewitsch zeitweise im Ausland, auch als DAAD-Stipendiatin in Berlin, unterstützte aber 2010 in Minsk die Proteste gegen Wahlfälschungen und lebt seitdem wieder in Weißrussland. Sie selbst nannte sich einmal eine Geisel ihrer Zeit: "Wer im Irrenhaus lebt, schreibt und redet nur darüber." Anlässlich der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima sagte sie im Tagesspiegel: "Tschernobyl ist bis heute nicht zu Ende gedacht. ... Wir haben uns in einer Kultur des Weinens erschöpft, ohne uns die wirklich ernsten Fragen zu stellen.

Quelle: Tagesspiegel

Montag, 5. Oktober 2015

... schon wieder einer

Nicht nur Schweden trauert um Henning Mankell

"Er war ein großartiger Mensch"



  • Schweden reagiert betroffen auf die Nachricht vom Tode Henning Mankells.
  • Mankell ist im Alter von 67 Jahren gestorben.
  • Der Bestsellerautor wurde vor allem mit seinen Wallander-Krimis berühmt, viele davon wurden auch verfilmt.
  • Im vergangenen Jahr machte Mankell seine Krebserkrankung öffentlich, der er nun erlegen ist.

Schweden trauert

Mit Trauer ist in Schweden die Nachricht vom Tod des Autors Henning Mankell aufgenommen worden. Der TV-Darsteller des Kommissars Kurt Wallander, Schauspieler Krister Henriksson, sagte der Zeitung Expressen: "Ich fühle einfach eine große, unendliche Leere. Weil Henning einen großen Platz in meinem Leben einnahm. Wir waren sehr, sehr gute Freunde. Henning war ein großartiger Schriftsteller, jeder weiß das. Er war wirklich ein großartiger Mensch."
"Henning Mankell war einer der großen schwedischen Schriftsteller, geliebt und gelesen hier zu Hause und in der ganzen Welt", teilte der Leopard Verlag mit, der seine Bücher in Schweden herausbrachte. "Durch sein Schreiben ging wie ein roter Faden die Solidarität mit den Schwachen und Verletzlichen." Mankell hatte den Verlag den Angaben zufolge 2001 gemeinsam mit Dan Israel gegründet.
Die schwedische Krimiautorin Camilla Läckberg sagte Expressen: "Henning war einer meiner ersten Krimi-Idole, er hat mir den Weg gewiesen, wie vielen nachfolgenden Krimiautoren." Der schwedische Krimiautor und Kriminologe Leif G. W. Persson sagte dem Blatt: "In der Öffentlichkeit war er ein engagierter Mensch und als Schriftsteller eine wichtige Person. Es ist klar, dass ich ihn vermissen werde." Bestürzt reagierte der norwegische Krimi-Autor Jo Nesbø auf Mankells Tod: "Das sind traurige Nachrichten", sagte er dem norwegischen Fernsehsender NRK. "Wir hatten mehrere vertrauensvolle Gespräche, und ich habe ihn als einen sehr großzügigen, guten Mann erlebt." Mankell habe mit seinen Wallander-Romanen Vorarbeit für alle anderen Autoren in dem Genre in Skandinavien geleistet, sagte Nesbø ("Blood on Snow - Der Auftrag"). "Er war ein wichtiger und vielleicht unterschätzter Türöffner für den skandinavischen Krimi im Rest der Welt. Henning Mankell ist ein Name, der in ganz Europa und auch in den USA bekannt ist."
Der schottische Fotograf und Krimiautor Ian Rankin schrieb zum Tode Mankells auf Twitter: "Sein Leben las sich wie ein Roman."
Auch Hanser trauert um den schwedischen Schriftsteller. Nicht nur Mankells Werk, auch sein persönliches Engagement seien im Zeichen der Solidarität gestanden, erklärte der Verlag in München.

Berühmt durch Wallander-Romane

Vor allem mit seinen Krimis über den brummigen Kommissar Kurt Wallander wurde Mankell berühmt. Viele seiner Romane, nicht nur die Wallander-Fälle, wurden verfilmt, darunter "Kennedys Hirn" (2010) oder "Der Chinese" (2011). Der 1948 geborene Mankell lebte in Schweden und in Mosambik.

Kampf gegen Armut, solidarisch mit den Palästinensern

Mit Eifer engagierte sich der Autor gegen Armut und Analphabetismus in Afrika. Der Kontinent war neben Schweden seine Heimat, viele seiner Bücher handeln von dort. "Meine Zeit zwischen Afrika und Europa aufzuteilen, hat mir Perspektiven und Distanz geschenkt, und ich glaube, es hat mich zu einem besseren Europäer gemacht", schrieb Mankell, der mit Eva Bergman, einer Tochter von Filmregisseur Ingmar Bergman verheiratet war, auf seiner Internetseite. "Beide Orte sind mein Zuhause."
Solidarisch zeigte sich der überzeugte Sozialist mit der Sache der Palästinenser. 2010 machte der Richtersohn die Reise der "Gaza-Hilfsflotte" Richtung Palästina mit, die von israelischen Soldaten mit einem blutigen Einsatz gestoppt wurde. Neun türkische Mitreisende starben. "Die haben versucht, mich zu töten, aber sie haben es nicht geschafft", sagte Mankell später darüber in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Nach seiner mehrtägigen Internierung warf der Autor Israel "Seeräuberei und Kidnapping in internationalen Gewässern" vor.

An Krebs erkrankt

Ende 2013 wurde bei Mankell Krebs diagnostiziert, er machte  seine Krankheit im vorigen Jahr öffentlich.  "Meine Angst ist sehr groß, aber ich kann sie im Großen und Ganzen unter Kontrolle halten", zitierte ihn die Zeitung Göteborgs Posten. In seinem Buch "Treibsand - Was es heißt, ein Mensch zu sein", das vor wenigen Tagen im Hanser Verlag erschienen ist, schreibt Mankell sehr persönlich über das Leben mit dem Krebs. Auch in seiner Kolumne für Göteborgs Posten war die Krankheit immer wieder Thema. Nun hat er den Kampf gegen den Krebs verloren. Er wurde 67 Jahre alt.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Samstag, 3. Oktober 2015

Sie sind wieder da: Segen oder Fluch??

"Das Literarische Quartett" im ZDF: "Das ist doch großartiger Quatsch!"


Literatur im ZDF: Quartett, neu gemischt
ZDF/ Jule Roehr

Im ZDF ist der Kritiker-Klassiker "Das Literarische Quartett" zurück. Das Spiel mit koketten Verrissen, trotzigen Widersprüchen und zärtlichen Bekenntnissen ist ganz das Alte geblieben - und es läuft.
Was hätte man nicht alles mit der 2001 eingestellten Vorlage anstellen können! Ein virtuelles Studio aus Buchstaben und fliegenden Büchern. Flotte Kurzfilmchen, in denen Schriftsteller vorgestellt werden, wie sie nachdenklich am Ufer stehen und Steinchen springen lassen. Ein Crawl mit aktuellen Tweets zur Sendung ("Was Germanisten so am Feierabend tun #literarischesquartett"). Oder wenigstens eine memorable Titelmelodie.
Aber nein, "Das literarische Quartett" mit Volker Weidermann, Christine Westermann, Maxim Biller und jeweils einem geladenen Gast (bei der Premiere war das die Publizistin Juli Zeh) lässt alle nur denkbaren modernen Mittel des Mediums ungenutzt. Glücklicherweise. Denn das Fernsehen mit seinem Jahrmarktsgebimmel muss zurückgedrängt werden, damit etwas so Stilles wie die Literatur überhaupt zur Geltung kommen und Raum gewinnen kann. Los geht es mit "Der dunkle Fluss" von Chigozie Obioma. Westermann findet die Übersetzung misslungen, wenn Fahrräder "Drahtesel" heißen oder Federn "wie Brocken" fallen. Weidermann bricht eine Lanze für die Erzählung ("meisterhaft"), die ihm von Maxim Biller prompt entwunden wird: "Hätten Sie weitergelesen, wenn es nicht für das Quartettt …" - "Nein." - "Dafür hätten Sie wahrscheinlich Handke weitergelesen!"
Als Juli Zeh erklärt, sie sei "nicht in der Lage, ein Buch gut zu finden, nur weil es ein Nigerianer geschrieben hat", will Biller ihr die wahren Gründe für ihre Ablehnung darlegen: "Nein, Sie mögen es deshalb nicht, weil …" Es folgt ein Blitzdiskurs über die Fegefeuer der deutschen Literaturkritik und ihre neokolonialen Überheblichkeiten.
Auch an "Macht und Widerstand" von Ilija Trojanow lässt Biller, längst in die scharfrichterliche Rolle des Marcel Reich-Ranicki geschlüpft, kein gutes Haar: "Ich wollte das Buch schon vorher schlecht finden und fand es schlecht", es sei eine "langweilige Qual", denn: "Der Böse ist böse, der Gute ist gut und findet sich auch gut". Dann sei "der Roman zu Ende, nach 500 Seiten und der schlechtesten Laune, die ich jemals hatte". Zeh, die das Buch vorgestellt hat: "Das ist ja unfassbar!"
Biller steigert sich in die flammende Anklage, Trojanow sei "kein Schriftsteller", worauf Weidermann mäßigend eingreift: "Das ist doch großartiger Quatsch", es gäbe auch tolle Momente, den tollsten übrigens "auf Seite 470". Da erinnert sich Westermann ebenfalls an einen schönen Satz und zitiert: "In der Hölle geht die Saat der Menschlichkeit auf!" Wieder platzt Biller der eigentlich doch weit geöffnete Kragen: "Das ist ein total banaler Satz! Frau Westermann! In der Hölle geht erstmal gar nichts auf! Und zweitens gibt es keine Hölle!"
Bevor nun aber über die Existenz der Hölle diskutiert werden kann, geht es schon mit Karl Ove Knausgard und "Träumen" weiter. Hier gerät nun Biller ins Schwärmen, und ein schwärmender Biller klingt so: "Knausgard selbst ist eine ähnlich tickende Zeitbombe wie Breivik". Westermann bemäkelt den stilistischen Detailismus Knausgards, die feine Zeitbombe trinke "auf 800 Seiten etwa 18 Hektoliter Tee, und ich bin bei jeder Tasse dabei." Biller angriffslustig: "Sie haben das Existentielle nicht gespürt? Er wird verrückt! Er wird verückt!", aber Westermann winkt müde ab: "Ich will gar nicht überzeugt werden! Nein!"
Worauf Biller zu härteren Kalibern greift: "Vielleicht verdrängen Sie ja auch etwas in Ihrem eigenen Leben?" Und "Zack!" greift wieder Weidermann schlichtend ein: "Wenn Sie das nach 800 Seiten nicht gefesselt hat, dann ist das nichts für Sie". Denn schon drängt die Zeit und folgt "Fieber am Morgen" von Péter Gárdos, das Biller kurzerhand als "Holocaust-Kitsch" bezeichnet und anschließend mit dem Kalenderspruchproduzenten Paulo Coelho vergleicht, wovon das Buch sich in dieser Sendung nicht mehr erholen sollte. Juli Zeh erklärt: "Es ist schön, dass Sie das Wort Holocaust-Kitsch gebraucht haben, ich hätte mich nicht getraut" Biller konziliant: " Sie dürfen! Die Wahrheit darf jeder sagen". Und so füllt sich der Raum für die Romane mit den unterhaltsamen intellektuellen Eitelkeiten der Beteiligten, mit bissigen Einwürfe, trotzigen Widersprüchen, persönlichen Angriffen, vernichtenden Urteilen, eleganten Sottisen und überraschend zärtlichen Bekenntnissen. Das Kraftzentrum dieses Treibens ist eindeutig Maxim Biller, während Weidermann einstweilen eine eher schiedsrichterliche Stellung hält.
Das Spiel ist ganz das Alte geblieben, und es läuft. Am Ende fühlen sich 45 Minuten höchstens nach einer allzu schnell verflogenen halben Stunde an. Schließlich würden auch 45 Stunden nicht ausreichen, um einen Roman "erschöpfend" zu besprechen. Vielleicht aber, ihn zu lesen.

Urteil:  Spiegel Online

mein Fazit: Ich habe dieser Sendung entgegen gefiebert und ich fand sie alles andere, aber auf keinen Fall gelungen. Genau das hat mich gestört: das Bemühen, ein Remake des Originals zu vollbringen. Die Rollen waren vergeben - allen voran Maxim Biller, der sich anschickte, die Reinkarnation von Marcel Reich-Ranicki zu werden. Sicherlich darf Diskurs sein, ja es erfrischt definitiv eine Sendung über Literatur bzw. jeder Form von Diskussion über Kunst. Leider war  Biller ausschließlich auf Krawall gebürstet ... fiel allen ins Wort - vorallem den Frauen. Dieses zeugt leider nicht von Kompetenz, sondern lediglich von einer unheimlichen Selbstüberschätzung und  Arroganz oder vielleicht auch nur von schlechtem Benehmen...